Diakonisse Lydia Windmüller
Geschichte
Diakonisse Lydia Windmüller
geboren am 14. April 1896 in Zürich, gestorben am 27. Januar
1983 in Frankfurt am Main.
Schwester Lydia war
eine originelle Persönlichkeit, die vielen zum Segen geworden ist. lhre Eltern
standen im Dienst der Heilsarmee. 1897 gründete der Vater in Frankfurt die
Freiwilligen-Mission. Die Tochter wurde ganz für diese Missionsarbeit erzogen.
Sie schreibt später von der fast klösterlichen Einsamkeit ihres Vaterhauses.
Beide Eltern hat sie bis zu ihrem Tod gepflegt. Sie hat von ihnen immer mit
Liebe und Hochachtung gesprochen. Den Vater hatte sie vor Augen bei ihrem
Einführungsspruch „Leide mit als ein guter Streiter Jesu Christi". Die
Anregung zum Diakonissenberuf erhielt sie von ihrer Mutter, die nach einer Operation
im Krankenhaus den Wunsch äußerte, ihre Tochter möchte einmal Diakonisse
werden.
ln einer
christlichen Zeitschrift las sie einen Aufruf an unverheiratete Frauen zum
Diakonissendienst. Am 1. März 1927 trat Schwester Lydia in das Mutterhaus in
Frankfurt ein. „Indem ich den Entschluss fasste, in ein Diakonissenhaus einzutreten,
verfügte ich zum ersten Mal selbständig über meinen Lebensweg.“
Nach verschiedenen Diensten im Hauswesen, im Büro und
in der Röntgen Abteilung besuchte Schwester Lydia die Krankenpflegeschule.
Danach arbeitete sie ein Jahr lang in der Lukasgemeinde in Frankfurt. 1938
wurde sie Gemeindeschwester in Hachborn. Dort hat sie 35 Jahre lang in der ihr
eigenen Weise gedient.
Bild: Schwester Lydia an der Kirche
Sie schreibt darüber in ihrem Jubiläumsbericht: „lch musste
mich nun ganz auf die Landbevölkerung einstellen. ln Schwester Marie Seip (im
Nachbardorf Ebsdorf) fand ich eine verständnisvolle, mütterliche Freundin, die
mich mit den Gepflogenheiten des Landvolks und auch mit den Eigenheiten des
Herrn Pfarrer bekannt machte. Ein schöner Ausgleich zur Krankenpflege ist mein
Kirchendienst in seiner Vielgestaltigkeit.
lm Jahr 1940 begann ich mit dem Kindergottesdienst, der mir
jenlänger je mehr Freude macht... Der Krieg mit seinen Verlusten und Tieffliegerangriffen
ging auch am Ebsdorfer Grund nicht spurlos vorüber. Vielen polnischen und französischen
Gefangenen durfte ich schwesterliche Hilfe erweisen. Auch viele unserer
versprengten Soldaten, die auf der Rückkehr durch unser Dorf kamen, waren froh,
ihre wundgelaufenen Füße verbunden zu bekommen.
Nach dem Krieg kamen
die Jahre der Flüchtlings- und Heimatvertriebenenfürsorge, wo man oft mit einem
Laib Brot oder Döschen Wurstfett hellen Kinderjubel auslösen konnte.“
Herr Pfarrer Wendel, der 14 Jahre lang mit Schwester Lydia
zusammengearbeitet hat, schrieb nach ihrem Tod: „Während meiner Zeit als
Gemeindepfarrer im Ebsdorfer Grund habe ich Schwester Lydia kennen und schätzen
gelernt. Ich kann mir rückblickend meinen Dienst in Hachborn ohne sie nicht
vorstellen. Besonders beeindruckte mich ihre Sensibilität für Elende und
Schwache und nicht zuletzt ihre verschenkende Güte, die selbst die Tiere in
Hachborn zu spüren bekamen. Als Organistin war sie ständig auch Zuhörerin
meiner Predigten, eine dankbare Zuhörerin, die mir manches Echo aus der
Gemeinde, ob positiv oder negativ, zutrug. Nicht zuletzt möchte ich ihren
köstlichen Humor erwähnen, der ihr über vieles hinweghalf. Ich danke Gott über
ihrem Leben, der durch sie in die Gemeinde Hachborn/llschhausen hineingewirkt
hat.“
Zur Trauerfeier kamen viele ihrer Gemeindeglieder, die sie
von Kind auf gekannt haben. Sie erzählten manches von ihr, was ihr Wesen
kennzeichnete.
Einmal hatten junge Burschen einen üblen Scherz ausgeheckt: Sie
trieben einen jungen Ochsen in die Kirche und sperrten ihn über Nacht ein. lm
Dorf herrschte helle Empörung über solchen Frevel. Schwester Lydia aber tat das
Nächstliegende, woran die anderen in ihrem Eifer nicht dachten: Sie nahm
Schippe und Eimer und Putztuch und tilgte die Spuren des unfreiwilligen
Kirchenbesuchers. „Er ist doch auch eine Kreatur Gottes“, sagte sie.
Nach ihrer Heimkehr ins Mutterhaus machte Schwester Lydia
Botendienste für die Verwaltung. Sie war bald stadtbekannt und in den Ämtern
und Geschäften geliebt.
Auf einem Botengang erlitt sie einen schweren Unfall. Eine
Betonmaschine rammte den Bus - und sie musste danach mehrmals im
Heilig-Geist-Hospital operiert und wochenlang gepflegt werden. Auch dort tat
sie ihren Mitpatienten wohl mit ihrer Bescheidenheit und ihrem Humor.
Das Geheimnis ihres Wesens war: sie hatte ein Herz für alle.
Sie urteilte nicht, sondern verschenkte Güte. Noch in der Schwachheit der
letzten Wochen hatte sie für jeden Besucher ein freundliches Lächeln.
Zur Einsegnung im Oktober 1933 erhielt sie als
Einsegnungsspruch das Lieblingswort ihrer Mutter:
Wir wissen aber, daß denen, die Gott lieben, alle Dinge zum
Besten dienen. Römer 8,28
Dieses Wort hat sich an ihr bewiesen. Schwester Lydia hat
sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.