Der Balderscheidweg, der Heiligenwald, der Hegewald, der Schwedenstein und die Schanzen
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Der Balderscheidweg, der Heiligenwald, der Hegewald, der Schwedenstein und die Schanzen
von Karl Müller
Wer einmal an der Gemarkungsgrenze von Hachborn zu Wolfshausen entlang gewandert ist, wird die ungewöhnlichen Hohlwege und Fahrspuren in ost-westlicher Richtung bemerkt haben. Diese stammen eventuell noch aus keltisch-germanischer Zeit vor Christi Geburt bzw. merowingischer Zeit (bis ca. 700).
In seinem Buch „die Besiedlung des Ebsdorfergrundes in vorgeschichtlicher Zeit“ beschreibt der Archäologe Dr. Georg Wolf den sogenannten Balderscheidweg im Jahre 1916.
Er beschreibt ihn als in der Nähe von Hassen- bzw. Bellnhausen beginnend für Durchreisende mit Fuhrwerken und Reittieren zum Zwecke des Handels als auch für militärische Bewegungen und Märsche. Diese kamen aus der Wetterau, durch die Furten der Lahn bei Sichertshausen bzw. zwischen Bellnhausen und Roth. Von einer Landschaftshöhe von ca. 185 m an der Mündung der Schwester Rom bis ca. 290 m im Hachborner Wald musste eine große Steigung (über 100 Höhenmeter) überwunden werden.
Der Balderscheid Weg kennzeichnete dann wie auch in seinem späteren Verlauf zahlreiche heutige Gemarkungsgrenzen. Dies ist zunächst (ungefähr) die Grenze zwischen den Gemarkungen von Bellnhausen und Hassenhausen, so dann zwischen Wolfshausen und Hachborn, später zwischen Ebsdorf und Bortshausen bzw. Beltershausen-Frauenberg. Im weiteren Verlauf bis zu den Furten der Ohm bei der Bürgelner Mühle oder zur Amöneburg ist es ähnlich. (Keltische Holzbrücke von Kirchhain-Niederwald, 211 v. Chr.!)
Besonders in Kriegszeiten dürfte diese, fast gerade Verbindung zwischen Lahn und Ohm große Bedeutung gehabt haben, da dazwischen kein einziger Bach und keine größere Siedlung die Reise behinderte.
Für die zeitliche Einordnung dieses überregionalen Weges in keltisch-germanischer Zeit spricht auch die Menge der Hügelgräber aus alten Zeiten, die auf einer Karte wie Perlen an einer Schnur zu sehen sind.
Im Hachborner Wald befinden sich allein 16 registrierte Hügelgräber, von denen ca. die Hälfte noch durch einen Hügel erkennbar ist. Andere sind im Laufe der Jahrhunderte geplündert und zerstört oder durch Waldbewirtschaftung verschlissen worden. Sicherlich ist dieser sogenannte Balderscheid Weg schon in keltischer Zeit angelegt und genutzt worden. Aber auch Germanen und Römer dürfen sich später auf ihm bewegt haben. Vielleicht sind dort römische Legionen auf dem Weg (von Waldgirmes etc.) in den germanischen Norden (z.B. 9 n. Chr. Teutoburger Wald u. ä.) gezogen. Die Entstehung des Begriffes "Balderscheid" wird oft auf den heidnisch germanischen Gott Baldur zurückgeführt.
Dies ist nicht ganz von der Hand zu weisen, denn der ganze südliche Ausläufer der Lahnberge bildet manchmal eine Wolken Barriere, so dass im Zwester-Ohmtal und Amöneburger Becken das Wetter etwas anders ist wie im Lahntal. Möglich ist, dass dies zeitweise als „Wolkenscheid“ bezeichnet wurde. Den Austausch der Buchstaben W und B hat es in der Sprachentwicklung oft gegeben. Z.B. Buben - Buwe, Habicht – Hobch - Hawk, Wolkenscheid - Balderscheid.
Der Heiligenwald und der Schwedenstein
Der Balderscheid-Weg trennt in der Gemarkung Hachborn den Heiligenwald von dem Hegewald. Der Heiligenwald befindet sich nördlich des Weges, hauptsächlich in der Gemarkung Wolfshausen, während der Hegewald das Gebiet südlich des Weges auf Hachborner Gemarkung beschreibt. Sicher ist, dass den Weg 1633 im 30-jährigen Krieg schwedische Truppen benutzt haben und im Siebenjährigen Krieg um 1760 französische Truppen als Aufmarschweg bei der Belagerung von Marburg hier waren. Aus dieser Zeit (1760) stammen die Schanzanlagen mit einer Größe von 25 und 30 Metern im Quadrat. Wahrscheinlich wurden auch in dieser Zeit die Toten in diesem Gebiet beerdigt. Das bekannteste Grab ist das des schwedischen Soldaten (wahrscheinlich ein Offizier) von 1633 mit dem sogenannten Schwedenstein. Der Schwedenstein befindet sich auf einem besonderen Areal; es wurde als der/das Triesch/Driesch- oder Trieschacker bezeichnet. Das heißt hier befand sich kein Wald, es wurde als Rinder- Schaf- oder Schweinehute bewirtschaftet. In der alten Feldgraswirtschaft waren Trieche erschöpfte Äcker, die dann teilweise jahrelang brach lagen, sich mit Gras bewuchsen und als Weide dienten, bevor sie wieder in Äcker umgebrochen wurden. Nach altem Recht musste jeder/es Triesch wenigstens alle 20 Jahre gepflügt werden, sonst ging das Besitzrecht verloren und es wurde (all-) gemeine Weide.
Der/das „heilige“ Triesch
Auf der Schleenstein‘schen Karte von 1705–1715, auf der die damaligen Gerichtsbezirke in ihren Grenzen eingezeichnet sind, findet man in dem Waldgebiet des Schwedensteins die Eintragung „heiliger Triesch" in altdeutscher Schrift. Das so bezeichnet Areal hat eine fast dreieckige Form, eine Größe von ca. 16 Hektar und gehört zur Gemarkung Hachborn.
Heute ist es allerdings im Besitz der Waldinteressenten Genossenschaft Ebsdorf. Es liegt nördlich des Balderscheid-Weges an der Gemarkungsgrenze zur Gemarkung Wolfshausen.
In diesem Teil der Wolfshäuser Gemarkung steht der Wald der Waldinteressenten-Genossenschaft Roth-Wenkbach-Argenstein. Er wird von diesen als auch in allen umliegenden Ortschaften wie Fronhausen, Bortshausen, Ebsdorf, Hachborn und Erbenhausen als "heiliger Wald" benannt.
Warum wurde nun dieses Gebiet von den Bewohnern der umliegenden Dörfer als "heilig" bezeichnet? Eine Erklärung kann durchaus sein, dass es in diesem Gebiet, allein auf Hachborner Gemarkungsseite ca. acht Hügelgräber aus wahrscheinlich keltischer Zeit (ca. 500 vor Chr.) gibt. Zusätzlich ist dieses Gebiet zu allen Zeiten relativ weit abgelegen zu jeder Siedlung, da es keine Fließgewässer im weiten Umkreis gibt. Tatsächlich beträgt die Luftlinienentfernung zur Zwester-Ohm sowie zur Lahn je ca. 1,8 km. Vermutlich wurden in dem Sandboden des "heiligen Dreiecks", auch zu anderen Zeiten von den umliegenden Dörfern Tote beigesetzt, die nicht in die geweihte Erde der Kirchen Friedhöfe gelegt werden sollten. Denkbar ist, dass zu diesen (toten) Menschen seuchenkranke (Pest), Selbstmörder, Kriminelle oder auch Fremde (Durchreisende) gezählt werden können. Hier konnten problemlos Leichen beigesetzt werden. Ungefähr in der Mitte des fast dreieckigen Areals befindet sich der Schwedenstein. Ein oben abgerundeter Sandsteinblock ragt nur etwa 65 cm aus der Erde hervor. An der nach Osten gewandten Seite ist ein Kreuz und darunter die Jahreszahl 1633 eingemeißelt. Unterhalb der Jahreszahl ist er scheinbar ein- oder abgebrochen gewesen. Er wurde also wieder relativ fest repariert. Heute ist ja ein beliebtes Ziel von sogenannten Geocachern.
Um den Schwedenstein ranken sich einige mündliche Überlieferung. So z.B., dass im 30-jährigen Krieg wiederholt kaiserliche und schwedische Truppen durch den Ebsdorfergrund gezogen sind. 1633 hätte man im Heiligenwald einen toten schwedischen Soldaten (Offizier Axel Eckeström gefunden?) Die Hachborner hätten sich geweigert ihn zu begraben, aber die Ebsdorfer hätten ihn in dem heiligen Triesch beerdigt und einen Grabstein gesetzt. Dafür hätten sie später (1834 von Steinsche Landreform) den Wald zugesprochen bekommen. Wahrscheinlich wurden die Besitzverhältnisse zugunsten der Ebsdorfer entschieden, weil der zuständige Förster (Kaiser) aus Ebsdorf stammte. Den Ebsdorfern sei eine "Trifft", das heißt ein Weg, durch Hachborner Gelände zu erhalten, um ihren Wald zu erreichen und Holz abfahren zu können. So ist es schriftlich (im Grundbuch) festgelegt. Vor den Landreformen gehörte der Heiligenwald den Schenken zu Schweinsberg in Fronhausen. Daher wird er auch heute noch teilweise als "Schenkisch Eigen“ oder „eigenisch" bezeichnet. Der Hachborner Hegewald und andere Wälder gehörten den Marburger bzw. Kasseler Landgrafen.